Am 16.4.2025 haben anwesende Mitglieder von Callerlab das sogenannte “Proposal” mit einer überwältigenden Mehrheit von 153 zu 13 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) genehmigt. Dies hat weitreichende Folgen für den Square Dance weltweit. 

Im wesentlichen wurde beschlossen die Programme Mainstream (wie heute im folgenden MS-70), Basic1 und Basic2 sowie SSD abzuschaffen und durch ein neues Mainstream (im folgenden MS-50) zu ersetzen. MS-50 darf MAXIMAL 50 Calls enthalten. Das bisherige Plus wird erweitert und muss in Zukunft MINDESTENS 50 Calls enthalten.

Im folgenden möchte ich einmal für alle verständlich das weitere Prozedere darstellen. Ich bemühe mich dabei, die Tatsachen möglichst objektiv und neutral darzustellen. Anschließend werde ich aber auch meine Meinung dazu darzulegen. Wer die nicht hören will, kann ja dann aufhören zu lesen.

Zunächst einmal etwas Statistik (lt. Facebook Eintrag wie auf der Versammlung verkündet):

Callerlab hat gegenwärtig 1332 Mitglieder. Davon sind 1107 aus den USA, 40 aus Kanada und 185 aus “Übersee” (Rest der Welt). Davon sind 579 stimmberechtigte Mitglieder (die anderen sind “Associate oder Trainee oder eben nicht stimmberechtigt”). Anwesend bei der Abstimmung waren 161 stimmberechtigte Mitglieder. Die Differenz zum Abstimmungsergebnis kann ich nicht erklären – ist aber auch unerheblich

Wie geht es nun weiter?

1. Schritt: Schriftliche Abstimmung aller Callerlab-Mitglieder

Bei der Abstimmung hätten mindestens 1/3 der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sein müssen, um den Beschluß endgültig werden zu lassen (sogenanntes Quorum). Da dies (579/3 = 193) nicht der Fall war erfolgt nun lt. Satzungt umgehend eine schriftliche Befragung ALLER stimmberechtigten Mitglieder – und zwar schriftlich. Um das Ergebnis zu ändern müßte jedoch eine 2/3 Mehrheit erreicht werden. Dies ist sehr unwahrscheinlich. In der Vergangenheit wurde bisher noch kein Beschluß dadurch gekippt. Daher ist dieser Schritt nur eine formelle Erfordernis und wird nichts ändern.

2. Schritt: Mainstream Komitee legt die 50 Calls (oder weniger) für MS-50 fest

Es gab bereits in den letzten Monaten ein “Ad-Hoc Komitee” (wohl vom Callerlab Vorstand ernannt), dass sich mit dem Thema beschäftigt hat.  Wenn man einzelnen Veröffentlichungen auf Facebook glauben darf, hat man sich im wesentlichen auf das bisherige SSD als neues MS-50 verständigt. Da SSD bisher 53 Calls beinhaltet (Lt. Callerlab Homepage) müssen dort noch 3 Calls gestrichen werden.

Dies würde bedeuten, dass folgende Calls aus MS-70 gestrichen werden:

  • Do Paso [BASIC]
  • See Saw [BASIC]
  • Walk Around the Corner [BASIC]
  • 1/4 Tag / 3/4 Tag [M]
  • Cloverleaf [M]
  • Dixie Style to a Wave [M]
  • Eight Chain Thru [M]
  • Pass To The Center [M]
  • Shoot The Star [M]
  • Slip The Clutch [M]
  • Spin Chain Thru [M]
  • Spin The Top [M]
  • Thar Family [M]
  • Turn Thru [M]
  • Walk and Dodge [M]

Hinzu kommen mindestens 3 Calls, die aus der SSD Liste gestrichen werden müssen und einzelne Vereinfachungen wie z.B. Slide Thru nur für Boy und Girl  oder Scoot Back nicht aus Quarter Tag.

3. Schritt: Plus Komitte legt die 50 (oder mehr) Plus Calls fest.

Man geht davon aus, dass diese Liste die bisherigen Plus Calls und die gestrichenen MS Calls enthält. Das Komitee ist da aber frei und kann auch Calls ignorieren und damit in die höheren Programme verbannen. Auf jeden Fall fehlen noch einige Calls bis zur Mindestmenge (50) und müssen dann aus dem A1/A2 Programm zum Plus hinzugefügt werden. Auch da wird es wohl größere Diskussionen darüber geben, welche Calls man denn hinzufügen soll.

Mögliche ist auch eine Konfrontation zwischen MS-Komitee und Plus-Komitee. Plus hat 29 Figuren. Nimmt man obige Liste plus 3 so kommen 18 aus dem MS hinzu. Bleiben mindestens 3 Calls, die hinzugenommen werden müssen (Mindestens 50). Wenn von den MS/SSD Leuten nun aber noch weitere Calls ins neue MS gebracht werden müssen, dann erhöht sich diese Anzahl und Plus wird noch schwieriger. In den Diskussionen vorher war aber immer die Rede davon, dass sich für die Plus-Leute nichts ändert. Es müssen jedoch alle Plus Tänzer mindestens 3 neue Figuren erlernen.

4.  Schritt: Veröffentlichung

Spätestens in einen Jahr sollen dann die neuen Programme offiziell verabschiedet werden und gelten dann für alle Callerlab Mitglieder. Die Aussagen gehen zwar auseinander, aber es ist wohl so, dass das Komitee entscheidet und es dann veröffentlicht wird. Eine neue Abstimmung über das Programm erfolgt nicht. Eine Möglichkeit wäre lediglich, wenn sich die Arbeit der Komitees bis zur nächsten Convention (April 2026) hinzieht und dann dort ein Antrag eingereicht wird, darüber abzustimmen oder andere Änderungen vorzunehmen.

EAASDC und ECTA (unsere deutschen Organisationen) haben sich bisher immer verpflichtet gefühlt die Callerlab Entscheidungen mitzutragen. Damit würden diese Änderungen auch bald für uns gelten.

Das MS-Komitee (Achtung: hier fließen auch Annahmen und meine Meinung ein!)

Bisher wurde nur EIN Dokument beschlossen, in dem die Politik hinsichtlich der Programme verbindlich festgelegt wird (Max 50 MS, MIN 50 Plus). Alles andere, das vom Callerlab Vorstand kommuniziert wurde (Workbooks für Caller, Gewinnung neuer Caller, Unterrichtsmaterial usw) und von den Befürwortern als Vorteile gesehen werden, liegen im wesentlichen in der Verantwortung der Komitees (im wesentlichen dem MS-Komitee). Dort hat man nur die Verpflichtung eine Liste von max 50 Calls vorzulegen. Wie das umgesetzt wird, wird allein dort festgelegt.

Derzeitiger Vorsitzender des MS-Komitees is Harlan Kerr; sein Stellvertreter Michael (Mickey) Braithwaite (den ja wohl viele kennen werden). Ob es auf der Convention hier noch Veränderungen gab weiß ich nicht. Mitglied im MS-Komitee kann JEDES Vollmitglied (also alle 579 stimmberechtigte Mitglieder werden). Ich glaube ich habe eine Zahl von 130 Komitee-Mitgliedern gelesen (Spekukation). Auf jedenfall ist die Anzahl und geografische Verteilung so groß, dass die Arbeit nicht in einer Vor-Ort-Arbeitsgruppe erledigt werden kann. Daher findet die eigentliche Arbeit in einem kleinen Zirkel statt. Meine Vermutung: es handelt sich um die gleichen Leute, die auch das Proposal initiiert haben.

Die Ergebnisse werden dann zu Kommentierung versandt (mit Terminsetzung). Danach werden die Kommentare und Bedenken eingearbeitet (oder auch nicht). Wenn man meint, ein mehrheitsfähiges Dokument zu haben, wird schriftlich abgestimmt. Bei Ablehnung werden weitere Vorschläge gemacht, bis eine Mehrheit erreicht wird.

So weit man aus Mailing-Gruppen und Kommentaren einzelner Mitglieder hören kann, war es in der Vergangenheit sehr schwierig zu einem Konsens zu kommen. So hat die Überarbeitung der Definitionen mehrere Jahre in Anspruch genommen. Alle 3 Jahre werden ja die Calls und Definitionen geprüft (Triannial review). Dabei wurden regelmäßig dutzende Änderungen (insbesondere Streichungen von Calls vorgeschlagen). Kein Vorschlag fand dabei eine Mehrheit.

Es bleibt abzuwarten, ob es diesmal anders ist. Schließlich muss man aus dem alten MS70 18 Calls streichen. Selbst wenn man SSD als Grundlage nimmt müssen dort noch 3 Figuren gestrichen werden. Möglicherweise erreicht man das auch nur, indem man einfach Calls als Familie bezeichnet. Dies war in der Vergangenheit z.B. bei Tag the line und Half Tag der Fall (wurde einfach zur “Tag Familie” und dabei kamen dann noch 1/4 Tag und 3/4 Tag hinzu). Kandidaten wären Allemande Left und Arm Turns oder Star thru und Slide thru sowie Dive thru und Pass to the Center.

Viele Kommentare erwarten auch noch einen anderen Namen, obwohl der in der Program Policy schon festgelegt wurde. Spannend wird auch die Frage, ob die Figuren zunächst von den Standardpositionen (in 24 Stunden=12 Wochen) wie im SSD oder eher aus allen Positionen inklusive Timung und Styling wie im Basic (=44 Stunden = 22 Wochen) unterrichtet werden soll. Bei der 2. Variante wären dann aber die gewünschten Multi-Cycle Classes (also 2 oder mehr Classes pro Jahr) nicht mehr möglich.

In den Videos pro Proposal wurden auch Workbooks (als Hilfe für Caller) und andere Hilfsmittel genannt. Ich befürchte die wird es erst in einigen Jahren geben. Auch eine Anpassung der Definitionen (insbesondere mit deutlicher Unterscheidung von Standard, Standard mit Variationen und Extended Anwendungen) wird es wohl so schnell nicht geben. Wahrscheinlich werden wir mit einer gekürzten Version der alten Definitionen leben müssen.

Argumente der Befürworter

Man sieht vor Allem auf die Zahlen. Bei den großen Veranstaltungen in den USA waren noch vor einigen Jahren 5-stellige Teilnehmerzahlen zu beobachten. Heute sind 4-5000 Teilnehmer schon ein großartiges Ergebnis. Auch in vielen Clubs in den USA steigt die Alterspyramide immer weiter und die Anzahl der Clubs und die Anzahl der Mitglieder sinkt. Daher sieht man großen Handlungsbedarf.

Als größtes Hindernis wird gesehen, dass es zu lange dauert, bis jemand Square Dance erlernt hat. Während eines Kurses können keine neuen Interessenten aufgenommen werden. Nachdem man Mainstream erlernt hat, gehen viele Tänzer sogleich in einen Plus-Kurs (“Rush to Plus”) – oft ohne die erforderlichen tänzerischen Fähigkeiten. In vielen Gebieten der USA werden sogar alle Figuren bis zum Plus gleich in einem Rutsch unterrichtet – es gibt kaum MS-Clubs. Das macht es für Einsteiger noch schwieriger mit SD anzufangen. Die Befürworter haben Mantra-artig immer wieder angesprochen: “Wir müssen JETZT etwas tun, um Square Dance zu retten”. Jede Maßnahme ist besser als nichts zu unternehmen.

Man schielt weniger auf die existierenden SD-Tänzer, sondern fokussiert auf die (möglichen) neuen Mitglieder. Das MS-50 soll man in 12-14 Wochen (Minimum 24 Stunden – also im Prinzip auch an 3 Wochenenden!!) unterrichten können. Es sollen zunächst nur die Standard Anwendungen unterrichtet werden – Variationen später wenn der Kurs abgeschlossen ist.  Damit kann man bis zu 3 SD-Kurse pro Jahr anbieten und damit schneller neue Mitglieder gewinnen. Anschließend sollen diese neuen Mitglieder dann weiterhin MS-50 tanzen und “volle” Clubs garantieren. Soweit oft genannte Argumente in der Diskussion.

Dieser Interpretation wurde aber auch schon vehement widersprochen. Nein man lehne sich eher an Basic an (Mindestens 44 Stunden). Ansonsten würde man ja die bisherigen MS-Tänzer verprellen.

Um den “Rush to Plus” zu unterbinden soll das Plus-Programm wesentlich schwieriger werden (insgesamt mindestens 50 Figuren erlernen). Das soll abschrecken.

Auswirkungen auf existierende Tänzer hält man für vertretbar:

  • Plus Gruppen müssen nur einige wenige zusätzliche Calls lernen. Die Regionen in der USA, die ohnehin gleich Plus unterrichten sind nicht tangiert.
  • Basic Gruppen gibt es kaum.
  • SSD Gruppen machen weiter wie bisher. Allerdings wird die Praxis unterbunden, gleich nach dem SSD Programm die “fehlenden” Figuren bis MS-70 zu unterrichten.
  • MS Tänzer müssen nichts dazulernen. Sie kennen alle MS-50 Figuren und haben daher keine Probleme. Die fehlenden Figuren werden viele Tänzer überhaupt nicht bemerken, da diese ohnehin selten bis gar nicht gecallt werden.

Insgesamt erscheint es mir jedoch, dass die große Mehrheit dringenden Bedarf sieht, Square Dance zu ändern. Wie das aussehen soll – darüber gehen die Meinungen sehr auseinander. Jeder interpretiert in das Proposal andere Inhalte und Sichtweisen hinein. Dabei wurde bisher nur über den ersten Schritt entschieden. Alles andere wird wohl erst in einigen Monaten sichtbar werden.

Was bedeutet das für uns in naher Zukunft

Nun kurzfristig (d.h. in den nächsten Wochen und Monaten) wohl erst mal nichts.

Wenn wir die Auswirkungen für Deutschland beurteilen wollen, müssen wir zunächst einmal eine Grundlage haben. Ich hatte bereits vor längerem (eigentlich aus Langeweile) einmal eine Statistik erstellt (https://definition.nanninga.myds.me/clubs-in-deutschland/ ). Darauf basierend sollten wir analysieren, welche Regionen wie betroffen sind. Wir sollten mit unseren Tänzern sprechen, um herauszufinden wie ihre Meinung ist.

Leider ist der weitere Prozess sehr intransparent. Man muss schon Callerlab Mitglied werden und dann im MS Komitee mitarbeiten, um den jeweiligen Diskussionsstand zu erfahren. Mein Rat: Nervt die deutschen Komitee-Mitglieder und fordert aktiv laufende Informationen. Ansonsten wird es irgendwann eine Veröffentlichung geben und wir werden alle überrascht.

Es macht ja schon einen großen Unterschied, ob das neue MS dem SSD ähnelt oder dem alten Basic. Was würde dies im EXTREM bedeuten?

MS50 = SSD

Dies bedeutet: 50 Figuren (statt heute 53 SSD), wobei man evtl. trickst und Figuren zu einer “Familie” zusammenführt. Dies soll dann in mindestens 24 Unterrichtsstunden (also im Prinzip auch an 4 Wochenenden) unterrichtet werden können. Gefordert wird nur Standardanwendungen – also z.B. fast ausschließlich normale Paare (Boy und Girl) und Figuren im wesentlichen nur aus einer Position. Styling und Timing sind erst mal nicht so wichtig. NACH dem Kurs erfolgen dann die erweiterten Anwendungen. Man hat ja jede Menge Zeit, da ja nur wenige anschließend zum Plus wechseln.

Für die existierenden MS-Tänzer würde das zunächst einmal recht langweilig, wenn die Caller nicht sehr an sich arbeiten und auch mit weniger Calls und wenigen Konzepten interessantes und von den Tänzern akzeptiertes Material anbieten.

MS50= Basic1+2

Basic sollte bisher in mindestens 44 Stunden unterrichtet werden. Das wären 22 Wochen je 2 Stunden. Wenn nur eine Stunde pro Clubabend möglich ist wären das schon 44 Wochen. Multicycle Classes (also mehrere SD-Kurse pro Jahr) wie von den SSD Leuten gefordert, wären dann kaum noch möglich. Auch würde wie bisher aus mehr als einer Position unterrichtet und Styling und Timing ist Teil des Unterrichts.

Nach einer kurzen Umstellungsphase würde sich bei uns wohl nicht viel ändern. Caller wären in der Lage die oben genannten Figuren durch kurze Sequenzen zu ersetzten. Beispiele: Cloverleaf kann durch “Ends separate and face in; Centers separate und Face in” ersetzt werden. Dies ergibt die gleiche Endposition. Oder man kann die Figur cuen (Dopaso: “Turn Partner left, Corner Right; Courtesy turn your girl – wird oft ohnehin angesagt). Das gilt auch für den Allemande Thar Kram – aber würde wirklich jemand diese Figuren vermissen?

Sollte es also zur 2. Lösung kommen, würde ich mir keine großen Sorgen machen. Bei der ersten Lösung befürchte ich den Verlust vieler MS-Tänzer, die entweder aufhören oder sich doch den Plus Kurs mit noch einmal 50 Figuren antun und die Clubs zu reinen Plus Clubs werden. Woher dann aber der Nachwuchs kommen soll erschließt sich mir nicht.

Man hofft auch auf neue Caller, die man mit Workbooks versorgen will. Beim SSD sieht das z.Zt. so aus: https://www.callerlab.org/download/social-square-dancing-teaching-guide/?wpdmdl=5025&refresh=621940b986cf21645822137 . Damit können neue Caller sich dann hinstellen und die Beispiele ablesen. Ob damit dann längerfristig ein interessantes und abwechslungsreiches Progamm möglich ist?

Alles in Allem habe ich große Zweifel, ob es gelingt eine vernünftige Umsetzung und Einführung zu gewährleisten. Die Beispiele aus der Vergangenheit sind da nicht sehr vielversprechend. Besonders ärgert mich, dass man irgendwann wohl plötzlich von einem Ergebnis überrascht wird.

Was würde ich mir wünschen? (MEINUNG)

Neue Tänzer haben keine Ahnung von der Anzahl der Figuren oder der Länge der Class. Daher sehe ich nicht, wie die beschlossenen Änderungen mehr Leute dazu veranlassen könnten sich mit SD zu befassen. In der Werbung schreiben “Ihr braucht jetzt statt 3/4 Jahr nur 1/4 Jahr um SD zu lernen?” – Das ist der große Brüller?

Leider gibt es ja bisher von ECTA/EAASDC keine offiziellen Stellungnahmen. Bei der EAASDC gab es eine allgemeine Darstellung im Bulletin und einige (positive) Leserbriefe dazu – aber keine offizielle Meinung. ECTA hat darüber wohl nur intern diskutiert – es gab keine extern verkündete Meinung.

Ich habe den Eindruck im SD passiert gerade das gleiche wie in der großen Politik: Alle haben gebannt nach Amerika geschaut und gehofft Trump wird nicht gewählt bzw. das Proposal wird ja wohl abgelehnt. Nun wo es passiert ist, stehen alle bedröppelt da und fragen sich “was sollen wir nun tun? Sollen wir uns vom großen Amerika abwenden oder weiter getreu bis in den Tod”.

Ich würde mir wünschen, wie würden einen eigenen “europäischen” Weg gehen. Das Hauptargument ist ja: “Wir können überall auf der Welt tanzen”. Aber mal ehrlich: Wie viele Tänzer haben denn die Möglichkeit regelmäßig irgendwo in der Welt zu tanzen. Normal sind doch – sofern überhaupt – einige wenige Reisen nach Übersee. Und wenn man MS-70 kann kann man dort ja auch MS-50 tanzen. Meine Tänzer waren in Boston. Nur durch die Vermittlung einiger netter Tänzer wurde extra für sie ein Abend organisiert. Der Club von Ted Lizotte hat keine Rücksicht genommen … “Ihr tanzt kein Plus – dann habt ihr Pech”. Also wer kein Plus kann kann oft in Amerika nicht tanzen!

Auch die meisten Amerikaner, die nach Europa kommen sind i.d.R. Plus-Tänzer und haben hier nur bedingt Schwierigkeiten. Ich halte also die “in aller Welt tanzen” Argumentation für nicht stichhaltig.

Viel schlimmer wäre es, wenn einzelne deutsche Caller beschließen ich mache weiter wie bisher und andere sich nach Callerlab richten. Dann wird es auf Specials und Jamboriees GANZ schwierig. Dann wird wirklich in jedem Dorf etwas anderes getanzt. Daher wäre jetzt Leadership bei ECTA und EAASDC gefragt.

Einige Kommentare auf Facebook (meist von Amerikanern): “Ich werde so callen, wie ich seit 50 gecallt habe!”; “Lasse mir nichts vorschreiben”; “Wir in Schweden sollten dies ignorieren und wie immer im 1. Jahr Basic, im 2. Mainstream und im 3. Plus machen”. Andere unterstützen den Ansatz in vollem Umfang.

Wenn diese Kakophonie das Ergebnis ist …. dann gute Nacht Square Dance

Wo sehe ich noch Unterschiede zwischen der Situation in Deutschland und Amerika?

Man sollte wissen, das SD in einigen amerikanischen Bundenstaaten als nationaler Tanz geführt wird. Jimmy Carter – ehemaliger Präsident – hat bis ins hohe Alter Square Dance betrieben. Viele Amerikaner mussten in der Schule zwangsläufig SD lernen (bei Sport- oder Musiklehrern, mit uraltem Material). Ich will damit sagen viele Amerikaner wissen, was Sd ist. Es hat allerdings ein sehr schlechtes Image: Es gilt als rückständig, ländlich oder in neudeutsch “Un-Cool”. Wenn man die richtigen Aktivisten motiviert Werbung für den “modernen Square Dance” zu machen, gelingt es oft auch neue Leute zu motivieren. So gibt es einige Erfolgs-Stories von SSD Gruppen. Wenn man erst einmal neue Leute geworben hat, werden durch Mund-zu-Mund-Propaganda wieder andere Tänzer geworben. Gerade durch diese Erfolgsgeschichten entstand ja die Idee dies nun verbindlich für alle einzufühen.

Wenn ich in Deutschland erwähne, dass ich SD mache ist immer die erste Frage “Was ist das denn?”. Dann erklärt man erst einmal umständlich das Wie, WAS und Warum; die Zusammenhänge und versucht den Spaß den wir dabei haben zu erklären. Je nach Situation bekommt man dann ein höfliches Desinteresse oder Ignoranz. Hier müssten wir mehr ins Fokus der Öffentlichkeit treten und unsere Nische verlassen. Dafür finde ich aber keinerlei Ansätze. Jeder Club ist im Rahmen seiner Möglichkeiten auf sich selbst angewiesen.

Daher kann ich mir kaum vorstellen, dass ein Konzept mit 50 Figuren irgendwas an dieser Situation in Deutschland verändert. Dann sind aber alle Änderungen, die durch das Proposal ausgelöst werden “Für die Katz” und sorgen unnötig für Unruhe.

Warum will keiner Square Dance machen?

Hier gibt es aus meiner Sicht – außer den beschriebenen Unterschieden – die gleichen Gründe in allen Ländern. Unsere moderne Welt in Europo und Übersee macht es für den einzelnen schwer, sich in der kurz bemessenen Freizeit langfristig für etwas zu engagieren. Und genau das verlangen wir: Längerfristiges Engagement.

Ich sehe Kinder und Jugendliche, die SD erlernen. Sobald aber Schule, Lehre, Beruf, Freundin/Freund in den Vordergrund treten verlieren wir die meisten wieder. Danach kommen Kinder und Familie. Nur wenige schaffen es neben kleinen Kindern auch noch Hobbies REGELMÄßIG zu betreiben. Dann kommt evtl. Haus/Wohnung; der tägliche Kampf im Beruf. Wenn ich mir dann überhaupt überlege Abends und am Wochenende Aktivitäten zu planen, dann muss das mit meinen sonstigen Aktivitäten in Einklang gebracht werden. Viele bleiben auch bei den vielfältigen Streaming-Angeboten oder dem Gaming (das kann man zu Hause betreiben).

Auch sind meine Prioritäten dann nicht beim SD, sondern das Hobby kommt erst, wenn andere Anforderungen erfüllt sind.

Diese Entwicklung gilt nicht nur für den SD, sondern betrifft viele andere Vereine ebenfalls. Und auch das ist ein weiterer Grund: Es gibt SEHR viele Angebote. Selbst bei uns im ländlichen Raum gibt es Line Dance, Clogging, Cheer Leading, American Football – nicht zu reden von “traditionellen Angeboten” wie Volkstanz, Fußball, Handball, Volley-Ball usw. Viele dieser Angebote ermöglichen es jederzeit einzusteigen und auszusteigen, so wie es die persönliche Situation erfordert. Dies ist beim SD gegenwärtig nicht möglich. Dies ändert sich auch mit einem Programm von 50 Calls NICHT – auch wenn man gerade dieses von Proposal erhofft.

Anders wäre es nur, wenn wir Angebote schaffen, wo man an 1-2 Wochenenden die ersten 20-25 Figuren erlernt und dann beliebig kommen und gehen kann. Das kann aber kein einzelner Club leisten, sondern müsste regional organisiert werden. Die weiteren Figuren werden sukzessive nach den Wünschen und Möglichkeiten der Teilnehmer hinzugefügt. Zeitvorgaben darf es dabei nicht geben. Ein solches Konzept könnte aus meiner Sicht Erfolg haben – ist aber wohl Utopie.

Was uns bleibt sind die sogenannten “Empty nester” – also Leute ab 50, wo die Kinder aus dem Haus sind, man “angekommen ist” und nun nach Möglichkeiten sucht gemeinsam etwas zu unternehmen. Im Ergebnis kommen dann oft Frauen zu uns weil der Partner “nichts mit tanzen am Hut hat”. Die 50er sind schnell 60er. Und irgendwann landet man wie in meiner Gruppe bei einem Altersdurchschnitt von über 70 und hat keinerlei Chancen mehr Jugendliche zu gewinnen.

Dafür bräuchte es mehr und vor allem junge Caller!

Ich hätte schon einige Ideen, die ich auf diesen Seiten auch formuliert habe. Ich sehe aber nicht wie dies mit ECTA/EAASDC umgesetzt werden könnte.